
Auch Aachens Rathaustürme sind nicht so alt wie sie vom Marktplatz aus erscheinen. 1978 vollendete Stadtkonservator Leo Hugot, was Karl der Große knapp 1200 Jahre vor ihm begonnen und der Krieg zerstört hatte. Was von unten wie graues Mauerwerk aussieht, sind dünne Bleiplatten, die auf die hölzerne Unterkonstruktion genagelt wurden. // Foto: Archiv Ulrich Simons |
05. Juli 2023
Gefakete Altstadt:
Aachens optische Täuschungen
Touristen kommen in Scharen, nicht nur zum Weihnachtsmarkt, und sie sind hin und weg von den wunderschönen alten Häusern rund um Dom und Rathaus. Doch sie erliegen einer Täuschung. Viele historisch anmutende Fassaden der Aachener "Alt"-Stadt sind erst nach dem Krieg entstanden, nicht selten zusammengepuzzelt aus Bruchstücken zerstörter Häuser.
Ganze Häuserfronten traten die Reise durch die City an und stehen heute (wie z.B. am Augustinerplatz) vor Gebäuden wesentlich jüngeren Datums. "Sanierungsgebiete" wie rund um die Judengasse wurden optisch aufgemöbelt, Tausende alte Einwohner in einem Aufwasch mit wegsaniert.
Jan Richarz, frischgebackener Dombaumeister, hat sich in seiner Dissertation mit den "translozierten" Gebäudeteilen beim Neu- und Wiederaufbau der Aachener Innenstadt beschäftigt. Mehr als 500 Seiten mögen auf den ersten Blick abschrecken, doch das wissenschaftliche Werk ist auch für Laien ausgesprochen verständlich geschrieben und spannend zu lesen.
Ein opulenter Bildteil mit alten und neuen Aufnahmen nimmt die zweite Hälfte des Werkes ein und lässt nicht nur "eingeborene" Öcher fassungslos zurück ob der ganzen baulichen Geschichtsklitterung. Schwacher Trost: Wenigstens Dom und Rathaus scheinen echt zu sein. Obwohl: Selbst die Turmaufsätze des Rathauses sind nicht so alt wie sie aussehen.
Der Landschaftsverband Rheinland hat Dr. Jan Richarz jetzt für seine enorme Fleißarbeit mit dem Paul-Clemen-Preis ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.
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