
Carmelo Licitra mit dem corpus deliciti (links) und dem Verwarnungsgeldbescheid des städtischen Ordnungsamtes. // Foto: Ulrich Simons |
22. November 2023
Baumhasel-Flyer:
Ordnungsamt auf Tauchstation
Ist es wirklich so schwer zuzugeben, dass man etwas übers Ziel hinausgeschossen ist? Dass eine Geschichte schiefgelaufen ist? Und dann den angerichteten Schaden wieder gutzumachen? Seit drei Wochen warte ich auf eine Antwort des Ordnungsamtes im "Fall Carmelo Licitra".
Rückblende: Im Preusweg hatte eine Streifenwagenbesatzung in der Nacht zum 9. Juni unter den Scheibenwischern einiger dort abgestellter Autos Flugblätter entdeckt. Es war eine völlig harmlose Einladung zu einem Bürgertreffen am gleichen Tage an der Türkischen Hasel in der Hohenstaufenallee, die offenbar ein Neubauprojekt in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nicht überlebt hatte.
Carmelo Licitra, viele Jahre lang als Baumpfleger in Diensten der Stadt Aachen, war aufgrund seiner beruflichen Expertise als Informant für weitere Rückfragen angegeben.
Die Anzeige der Polizei landete beim Ordnungsamt, am 23. Oktober flatterte dem frischgebackenen Rentner, gerade von einem Urlaub in seiner Heimat Sizilien zurückgekehrt, eine Verwarnung über 35 Euro ins Haus. Begründung: Seine Adresse habe auf dem Flyer gefehlt.
Verteiler, aber nicht Verfasser
Dumm nur: Carmelo Licitras Deutschkenntnisse reichen nach eigenen Angaben für ein solches Flugblatt nicht aus, zudem besitzt er - ebenfalls nach eigenen Angaben - gar keinen Computer. Kurz: Er war zwar der Verteiler, aber das Flugblatt stammte nicht von ihm, was er dem Ordnungsamt auch mitteilte. Klare Sache, sollte man meinen, doch bei der zuständigen Sachbearbeiterin stießen Carmelo Licitras Erklärungen auf taube Ohren.
Am 29. Oktober habe ich ausführlich über den Fall berichtet und dem Fachbereich Sicherheit und Ordnung (unter Einhaltung des Dienstweges über das städtische Presseamt) am 31. Oktober fünf Fragen gestellt, in der Hoffnung, dass man sich einsichtig zeigte und die Forderung gegen Carmelo Licitra zurücknahm.
Noch am gleichen Tage, nur wenige Stunden später, kam in gewohnter Schnelligkeit die Antwort vom Presseamt: Die Sachbearbeiterin im Ordnungamt sei zwecks Befragung nicht verfügbar, sondern erst am Montag der darauf folgenden Woche wieder im Dienst. Das wäre der 6. November gewesen.
Als ich bis zum 10. November immer noch keine Antwort habe, frage ich ein weiteres Mal nach. Anwort der Presseamts-Mitarbeiterin vom gleichen Tag: "Uns sind die Antworten für Anfang nächster Woche zugesagt. Sobald wir Antworten haben, melden wir uns."
Der Fachbereich war "etwas irritiert"
Im übrigen sei man "not amused" über die Veröffentlichung meiner Fragen an das Ordnungsamt in diesem Blog. Auch im Fachbereich Sicherheit und Ordnung sei man "etwas irritiert" über den Beitrag gewesen. Darf ich jetzt nicht mal mehr aus meinen eigenen Schreiben zitieren?
Als ich zwei Stunden später versuche, per E-Mail die Dinge geradezurücken, kommt statt einer qualifizierten Antwort eine automatisch erzeugte Nachricht: Die Presseamts-Mitarbeiterin ist erst am 20. November wieder an ihrem Arbeitsplatz.
Scheint kompliziert zu werden.
Auf nochmalige Nachfrage am 15. November hin lässt mich ihr Stellvertreter wissen: "Ich habe deine erneute Nachfrage im zuständigen Rechtsdezernat platziert und um Priorisierung gebeten. Wir geben dir schnellstmöglich Antwort, sobald wir sie vorliegen haben."
Mehr konnte er nicht tun, das war heute vor acht Tagen.
Selbst die Bürgermeisterin bekommt keine Antwort
Bereits Ende Oktober hatte die Bürgerinitiative, die sich an der Ecke Lütticher Straße / Hohenstaufenallee monatelang um die Rettung des schwer angeschlagenen Baumes bemüht hatte, Bürgermeisterin Hilde Scheidt (Grüne) über den Sachverhalt informiert.
Die war laut E-Mail vom 28. Oktober "(...) sprachlos, da ich selbst bei der Aktion vor Ort war und Herrn Licitra, zusammen mit der BI, die sich rührend um diesen wunderbaren Baum bemüht haben, dort unterstützen durfte (...)". Hilde Scheidt sprach von einem "Schildbürgerstreich" und kündigte an, zu dem Vorgang "eine sinnvolle Erklärung und Erläuterungen der Verwaltung" einholen zu wollen.
Nach Lage der Dinge scheint sie bisher ebenfalls ohne Erfolg vor die Wand gelaufen zu sein.
Vielleicht ist mal ein "Teamtag" fällig
Seit Wochen bemüht sich die Stadt mit Hilfe des Fachbereiches 61, Teamtage ("Fachbereichsfrische") auf Steuerzahlerkosten in irgendwelchen Freizeitparks mit deren angeblich effizienzsteigernder Wirkung zu erklären.
Vielleicht sollte man auch mal im Fachbereich "Sicherheit und Ordnung" über arbeitsbeschleunigende Maßnahmen in Form eines Ausflugs nach Alsdorf oder ins Phantasialand nachdenken. Arbeitstitel: "Knöllchenfrische".
Nochmal zurück zum vom Anfang: Ist es wirklich so schwer zuzugeben, dass man etwas übers Ziel hinausgeschossen ist? Dass eine Geschichte schiefgelaufen ist? Und dann den angerichteten Schaden wieder gutzumachen?
Seit drei Wochen warte nicht nur ich auf eine Antwort des Ordnungsamtes zum "Fall Carmelo Licitra".
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