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Ulrich Simons

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Fotojournalist (seit 1976)
Redakteur (1987 bis 2019)
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Villa Giani

Die 1878/79 errichtete Villa des Aachener Kaufmanns Caspar Giani (1830-1895) wurde im August 1901 die Keimzelle des "Sanatoriums" an der Lütticher Straße. // Foto: Archiv Franziskus-Krankenhaus

 

07. Mai 2025

Die "Villa Giani": Ein Stück
Aachener Krankenhausgeschichte

Aachen im Jahr 1878. Am Dom laufen die Planungen für den hohen Turmabschluss, mit dessen Bau ein Jahr später begonnen wird. Der Baubeginn für den Buschtunnel unter dem Aachener Wald jährt sich zum 30. Mal, die Stadtwerke feiern 40. Geburtstag.

Zwei Jahre zuvor (1876) hat der Amerikaner Alexander Graham Bell das Telefon erfunden, und Carl von Linde hat den ersten Kühlschrank präsentiert. Bis zur Thermoskanne von Alexander Ferdinand Weinhold dauert es allerdings noch fünf Jahre.

Das 1855 fertiggestellte Mariahilf-Spital an der Monheimsalle (dort steht heute das Neue Kurhaus) hat insgesamt 260 Betten und eine Abteilung für Innere Medizin und eine für Chirurgie. Es ersetzt Aachens erstes und einziges Krankenhaus, das 1336 errichtete "Gasthaus am Radermarkt" (dem südlichen heutigen Münsterplatz), das 1910 abgerissen wird. (Ein "Gasthaus" war damals ein Kranken- und Pflegehaus. Was wir heute als "Gasthaus" bezeichnen, hieß damals "Herberge".)

 

Erfolgreicher Bauherr

1878 ist Caspar Giani 48 Jahre alt. Im väterlichen Betrieb in Mainz hatte er zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann gemacht und dabei 1849 seinen späteren Schwager Leonard Monheim aus Aachen kennengelernt.

1866 nahm dieser ihn als Teilhaber in sein „Drogen-Materialwaren-Detailgeschäft“ an der Jakobstraße auf. (Ausführliche Biographie Caspar Gianis auf Wikipedia.)

Ab 1878 gehen beide geschäftlich getrennte Wege. Während Leonard Monheim sich auf die Fertigung von Schokolade konzentriert und den Grundstein für die Marke "Trumpf" legt, gründet Caspar Giani im Haus Hochstraße 16 (heute Theaterstraße) ein Feinkosthandelsgeschäft, baut es zum führenden Großhandelsgeschäft für Kolonialwaren und Südfrüchte aus und ergänzt es durch eine Kaffeerösterei.

An der Lütticher Straße, Ecke Moreller Weg, oberhalb der Stadt, lässt Giani im gleichen Jahr nach Plänen des Architekten Hermann Joseph Hürth im neugotischen Stil eine repräsentative Villa, die „Villa Giani“, bauen.

Wenn die Villa Rückschlüsse auf die Caspar Gianis Erfolge als Kaufmann zulässt, müssen diese beträchtlich gewesen sein.

 

Sanatorium Lütticher Straße

An der Schmalseite der "Villa Giani" hängt auf einer Postkarte aus dem Jahr bereits 1906 das neue Namensschild "Aachener Sanatorium". // Quelle: Stadtarchiv Aachen (StAAc) - Repro: Ulrich Simons

 

Der Architekt

Hermann Joseph Hürth, am 17. Mai 1847 in Köln geboren, hatte dort seine Ausbildung im Büro des Architekten Julius Raschdorff gemacht und war 1870 nach Aachen gekommen, wo er ein eigenes Architekturbüro gründete. Hier arbeitete er insbesondere für die katholischen Kirche.

Seine Spuren in der Region finden sich heute u.a. noch im zur gleichen Zeit wie die "Villa Giani" erbauten "Huize Loreto" der Schwestern vom armen Kinde Jesus im niederländischen Simpelveld.

Die Aachenerin Clara Fey hatte den Orden im Februar 1844 gegründet; 1878 verlegten die Schwestern ihr Mutterhaus als Folge des Kulturkampfes zwischen dem deutschen Reich und der katholischen Kirche (seit 1872) in die Niederlande.

Auch das Kloster vom Guten Hirten im Aachener Stadtteil Süsterfeld (gebaut 1886–1887) geht bzw. ging auf Pläne von Hermann Joseph Hürth zurück. Bis 1982 nutzten die Schwestern vom Guten Hirten die Gebäude.

Die Stadt Aachen übernahm anschließend den Komplex, ließ Teile davon am 01. Juni 1982 sprengen und stellte das vormalige Zöglingshaus, Waschhaus und das etwas abseits stehende Priesterhaus unter Denkmalschutz. Auf dem freigewordenen Klostergelände entstand hochwertige Wohnbebauung.

 

Sprengung Kloster zum guten Hirten

Das Ende: Am 01. Juni 1982 werden große Teile des Klosters vom Guten Hirten pulverisiert. Ich hatte damals eine ziemlich neue Nikon F2A mit Motor und viel Spaß ...

 

Gianis Schwager und Teilhaber Leonard Monheim hatte sich ebenfalls bereits der Dienste Hermann Joseph Hürths bedient.

In den Jahren 1873/1874 ließ er von ihm das "Haus Marienhöhe" auf dem Königshügel bauen, das heute dort als "Villa Monheim" unter Denkmalschutz steht. (Anm.: Andere Quellen geben Johann Dohlen als Architekt an. In der Denkmalliste der Stadt Aachen wird allerdings Hermann Joseph Hürth als Architekt genannt.)

Caspar Giani stirbt am 01. Januar 1895 und wird in der Familiengrabstätte auf dem Westfriedhof II neben seiner Frau Katharina beigesetzt.

 

Caspa Giani - Grab auf dem Westfriedhof II  

Caspar Giani
Caspar Giani - Grab auf dem Westfriedhof II

Caspar Giani (oben rechts auf einem Bild aus dem Jahr 1858) starb am 01. April 1896 kurz vor Vollendung seine 66. Lebensjahres. Er fand seine letzte Ruhe ebenso wie seine vier Monate zuvor verstorbene Ehefrau Katharina (+ 56) auf dem Westfriedhof II. Das Familiengrab befindet sich am Weg hinauf zum Camposanto auf der linken Seite. // Fotos: Archiv Franziskus-Krankenhaus / Ulrich Simons (2)


Die neuen Besitzer

Gut sechs Jahre nach seinem Tod verkaufen Caspar Gianis Erben im Jahr 1901 die prächtige Villa mit dem 5000 Quadratmeter großen Garten für 95.000 Reichsmark an zehn Aachener Ärzte, die sich in einer GmbH zusammengeschlossen haben, um hier ihre Patienten stationär besser versorgen können.

Die Pflege der Kranken übernimmt die 1857 in Eupen gegründete Genossenschaft der Franziskanerinnen von der Heiligen Familie.

Am 30. Juli 1901 unterzeichnen die zehn Ärzte und die Schwestern den Vertrag zur Zusammenarbeit, am 02. August 1901 nimmt das Krankenhaus den Betrieb auf.

Die "Villa Giani" heißt jetzt "Aachener Sanatorium" an der Lütticher Straße. Nach entsprechenden Umbauten stehen dort ein interdisziplinärer OP und 17 Krankenbetten zur Verfügung. Aachen hat ein zweites Krankenhaus.

 

Sanatorium Lütticher Straße 1911

Sanatorium Lütticher Straße 1911

Die "Sanatorium" an der Lütticher Straße auf einer Postkarte mit einem Eingangsstempel aus Spekholzerheide vom 04. November 1911. // Quelle: Stadtarchiv Aachen (StAAc) - Repro: Ulrich Simons

 

Das neue "Sanatorium" wird auf Anhieb ein Erfolg. Fortschritte in der Medizin lassen professionelle Krankenanstalten an die Stelle der häuslichen Krankenpflege rücken. Bereits acht Jahre nach seiner Gründung kann das "Sanatorium" seine Bettenzahl verdoppeln.

Den Ersten Weltkrieg übersteht das Krankenhaus weitgehend unbeschadet als Heimatlazarett.

Doch der Krieg hinterlässt Spuren an ganz anderer Stelle: Bereits 1917 war die untere Lütticher Straße umbenannt worden und trug jetzt den Namen des preußischen Infanteriegenerals Otto von Emmich (1848-1915).

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte Emmichs Armeekorps im August 1914 die erste größere Aktion des Krieges mit dem Einmarsch ins neutrale Belgien und der Eroberung von Lüttich durchgeführt, wodurch dem nachrückenden deutschen Heer der Weg nach Frankreich freigemacht werden sollte.

 

Vom "Sanatorium" zum "Krankenhaus Emmichstraße" und wieder zurück

Auch die Ärzte greifen den neuen Namen auf: Ab 1917 heißt das "Aachener Sanatorium" offiziell "Krankenhaus Emmichstraße".

An der Lütticher Straße wird weiter gebaut. 37 Ordensschwestern, die bisher im Dachgeschoss der Villa gewohnt hatten, erhalten 1926 an der heutigen Sanatoriumstraße ihr eigenes Schwesternhaus und eine hübsche, kleine Kapelle. Im Dachgeschoss entstehen 1927 neue Patientenzimmer. Das Sanatorium verfügt jetzt über 73 Betten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erhält die Lütticher Straße ihren alten Namen zurück, und aus dem "Krankenhaus Emmichstraße" wird das "Krankenhaus Lütticher Straße".

Auch am "Sanatorium" geht der Zweite Weltkrieg nicht spurlos vorüber, doch es bleibt als einziges Aachener Krankenhaus in Betrieb. Dies auch, weil die Schwestern sich dem Evakuierungsbefehl wiedersetzen.

Mehr als drei Jahre nach Kriegsende, am 08. November 1948, geht es endlich an die Beseitigung der Kriegsschäden und die Aufstockung des linken Gebäudeteiles. Nach Abschluss der Baumaßnahmen verfügt das Krankenhaus über 80 Betten.

 

Die Schwestern übernehmen das Krankenhaus

Als in den 1950er Jahren die Anforderungen an Krankenhäuser weiter steigen und entsprechende Neu- und Umbauten erforderlich sind, geht den zehn betreibenden Ärzten organisatorisch und finanziell "die Puste aus".

Am 22. Dezember 1961 wird die GmbH aufgelöst. Neuer Träger des Krankenhauses an der Lütticher Straße ist ab 01. Januar 1962 der "Verein der Franziskanerinnen von der Heiligen Familie e.V. Aachen". Gleichzeitig erfolgt die Umbenennung in "St. Franziskus Krankenhaus".

Am 21. November 1964 erfolgt die Grundsteinlegung zum Neubau am Morillenhang, der am 03. Februar 1968 feierlich eingeweiht wird. Baukosten inklusive Einrichtung: Neun Millionen D-Mark.

Seit 01. September 1978 verfügt das Krankenhaus auch über eine Intensivstation.

 

Aachen Morillenhang Franziskus Krankenhaus 1975

Die alte "Sanatorium" ist auf diesem Luftbild aus dem Jahr 1975 nur noch eine Randerscheinung. 1968 hat am Morillenhang das neue St. Franziskus Krankenhaus den Betrieb aufgenommen. // Archivfoto: Ulrich Simons

 

In die ehemalige "Villa Giani" zieht die Krankenhausverwaltung ein und bleibt auch dort, als das Krankenhaus mehrfach den Betreiber wechselt. Auf die Caritas Trägergesellschaft Trier (CTT) Mitte der 1990er Jahre folgt die Marienhaus-Gruppe, am 01. Januar 2020 wird das Franziskus Krankenhaus Teil der Uniklinik der RWTH Aachen und ändert seinen Namen in "Uniklinik RWTH Aachen – Franziskus".

Schon damals werden erste Pläne laut, das "Schlösschen", wie der inzwischen weiße Bau im Volksmund heißt, abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Nicht mehr erfüllbare Brandschutzauflagen brachten jetzt das endgültige Aus.

Der Verwaltungsneubau ist inzwischen an der Sanatoriumstraße zwischen Ärztehaus und Krankenhauskapelle bezogen. Was auf dem Gelände der "Villa Giani" entstehen soll?

Die Uniklink hat im Augenblick nach eigenen Angaben keine Idee für eine Anschlussverwendung.

 

verwendete Quellen:

St. Franziskus-Krankenhaus
Festschrift zum 100-jährigen Bestehen 2001
(Historische Recherche Dr. Norbert Gilson)

Bruno Lerho
"Aachen in alten Zeiten"
Helios-Verlag 1997

Wikipedia

Stadtarchiv

 

Sanatorium Lütticher Straße Abbruch

Am 05. Mai 2025 beginnen an der "Villa Giani" die Abbrucharbeiten. Der markante Turm an der rechten Gebäudeecke, den der Baggerfahrer gerade bearbeitet, hatte bereits im Krieg seine Spitze verloren und war danach nicht wieder aufgebaut worden. // Foto: Ulrich Simons

 

 

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